Für mich gibt es keinen Sieg und keine Niederlage und keine Leere. Alles ist voll bis zum Rand, und alles ist gleich, und mein Kampf lohnt sich für mich. Um ein Wissender zu werden, muß man ein Krieger sein, kein wimmerndes Kind. Man muß kämpfen, ohne aufzugeben, ohne zu klagen und ohne zurückzuweichen, bis man sieht, nur um zu erkennen, daß nichts wichtig ist.

Carlos Castaneda II 77

Pirschen

Ein Überblick

Pirschen
Der Pirscher nutzt für sein spirituelles Wachstum im Gegensatz zum Träumer die Alltagswelt.
Ursprünglich entstammt der Begriff des Pirschens, aus dem archaischen Kontext der Jagd. Es bezeichnet Handlungen die ein Jäger ausführen muß, um bei der Jagd erfolgreich zu sein. Auch der toltekische Krieger befindet sich auf der Jagd. Auf der Jagd nach Kraft und Wissen muß er sich den Widrigkeiten seiner Mitwelt, seinem Jagdgrund, aber auch den eigenen Unzulänglichkeiten stellen.
Der Pirscher nutzt für sein spirituelles Wachstum, die verschiedensten ausgeklügelten Strategien, die als die Regeln des Pirschens bezeichnet werden. Diese Regel diszipliniert und schult den Geist des Pirschers und eröffnet ihm immer neue Erfahrungen, Einsichten und Verhaltensweisen.
Dadurch entwickelt er den entsprechenden Kriegergeist, um seine bisherige Wahrnehmung und Handlungen zu verändern. In der Kriegerallegorie wird hier von einem verschieben des Montagepunktes gesprochen.

Nachfolgend werden einige wichtige Punkte der Regeln des Pirschens aufgeführt.

Gebote des Pirschens(Die Welt ist ein Geheimnis)
1.Der Krieger betrachtet die Welt als unergründliches Geheimnis.
2.Der Krieger macht sich auf den Weg diese Geheimnisse zu ergründen, ohne zu erwarten und ohne die Hoffnungzu haben dieses Mysterium letztendlich zu verstehen.
3.Auch der Krieger als Teil der Welt sieht sich als Teil dieses Mysteriums.

Prinzipien des Pirschens
1.Ein Krieger wählt sein Schlachtfeld selbst.
2.Ein Krieger läßt alles Unnötige beiseite.
3.Ein Krieger schlägt immer seine letzte Schlacht auf der Erde
4.Ein Krieger handelt losgelöst ohne innere Zwänge
5.Ein Krieger zieht sich bei Bedarf zurück
6.Ein Krieger verdichtet die Zeit.
7.Ein Krieger nimmt sich nicht wichtig. Ein Krieger ist demütig.

Attribute des Pirschens
1.Voraussicht
2.Disziplin
3.Kontrolle
4.Momentum
5.Wille

Stimmungen des Pirschens
1. Rücksichtslosigkeit ist nicht Härte
2. List ist nicht Grausamkeit und Heimtücke
3. Geduld ist nicht Nachlässigkeit oder Faulheit
4. Sanftheit ist nicht Albernheit und Schwäche

Die kleinen Tyrannen
Die Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Mitwelt, verlangt vom Krieger Kommunikation und Konfrontation. Nichts ist besser für einen Krieger geeignet, sein Wissen und seine Energie zu mehren, als das Ringen mit den kleinen Tyrannen. Das sind Mitwesen, die aufgrund von ihrer persönlichen Vorteilsnahme bewirken, daß man Schwierigkeiten und Probleme bekommt. Jeder Krieger ist darauf bedacht, sich solche scheinbaren Quälgeister nutzbar zu machen, indem er sich unter zu Hilfenahme der Kriegerstrategien, mit diesen absichtlich auseinandersetzt.
Die kleinen Tyrannen werden deshalb als „klein“ bezeichnet, weil sie im Vergleich zum Tod, der der einzig wahre Tyrann in der Welt der Krieger ist, wie Zwerge wirken. Es gibt verschiedene Klassen, gemessen an den Auswirkungen was kleine Tyrannen im Leben jedes Menschen anrichten können. Die folgende Aufstellung stellt nur eine grobe Leitlinie dar, die je nach Erfahrungswert erweitert werden kann. Je nach persönlichen Erleben.

1.Die popligen winzigklitzekleinen Tyrannen machen traurig und melancholisch.
2.Die popligen klitzekleinen Tyrannenwollen dich mit ihren Problemen verstricken
3.Die popligen kleinen Tyrannenlassen dich nicht auf deiner Ebene handeln
4.Die popligen Tyrannenwollen dich zu ihrem eigen Vorteil überreden
5.Die winzigklitzekleinen Tyrannen belügen und hintergehen dich und sind nicht vertrauenswürdig
6,Die winzigkleinen TyrannenRichten materiellen Schaden an
7.Die klitzekleinen Tyrannen Fügen dir leichte körperliche Schmerzen zu
8.Die kleinen Tyrannen Fügen dir schwere Schmerzen bis hin zum Tod zu

Die Reihenfolge dieser Klassifizierung ist willkürlich und kann nicht alle Leidenspotentiale in ihrer Schwere berücksichtigen, so wie der einzelne sie dann empfindet. Wichtig ist dabei, daß man sich der Herausforderung mit der entsprechenden Strategie entgegenstellt und sich ihr nicht entzieht.

Die kontrollierte Torheit
Die kontrollierte Torheit ermöglicht es dem Krieger, sich mit Menschen und Situationen, in für ihn förderlicher Weise auseinanderzusetzen. Es ermöglicht ihm, trotz einer vollkommen anderer Weltsicht und Lebensweise, weiterhin mit seinem Gegenüber auszutauschen. Denn diese persönlichen Überzeugungen können oft Unverständnis und sogar Feindseligkeiten gegenüber des Krieger auslösen, die er nicht immer anstrebt. Es ist dann oft besser, für eine im Sinne des Kriegers sinnvolle Auseinandersetzung mit seiner Mitwelt, wider besseren Wissens so zu handeln, als ob man nichts weiß. Auch besitzt der Krieger diese Wichtigkeit nicht, andere unbedingt vom eigenen, vermeintlich richtigen Weg überzeugen zu müssen. Er würde dabei oft nicht nur sich selbst, sondern auch sein Gegenüber energetisch erschöpfen. Deshalb belässt ein Krieger im Großen und Ganzen sein Umfeld so wie es ist, denn es ist sein Pirschfeld auf dem er wie durch die Kulissen eines Theaters durchs Leben geht.
Natürlich gibt es Ausnahmen und diese zu erkennen obliegt dem Krieger Kraft seiner Möglichkeiten, Zeichen zu erkennen wann es angebracht ist, die Plattform der kontrollierten Torheit zu verlassen. Die Möglichkeiten dies zu erkennen schafft er sich durch die besondere Wahrnehmungsfunktion des Sehens, Träumens und dem Verstehen und Deuten von Omen. (Zeichen der Schicksalsmacht der Absicht).
Die kontrollierte Torheit ermöglicht es dem Krieger in der Auseinandersetzung mit Menschen und Situationen, seine makellose Handlungsweise zu entwickeln.

Omen (Zeichen der Schicksalsmacht)
Krieger versuchen ihr Schicksal zu kontrollieren und im Sinne der sogenannten Absicht zu handeln. Alles was dem Krieger widerfährt, leitet ihn auf dem Weg des Wissens und sein Unterfangen, Kraft zu jagen. Deshalb ist es wichtig die Wege der Absicht zu erkennen und ein Omen richtig zu deuten und entsprechend zu handeln.
Nicht jede Begebenheit die im Leben auf den Krieger trifft, muß ein Omen bedeuten.
Gerade in der heutigen Zeit, verlangen die Menschen nach Aufklärung und Bestimmung ihres Lebensweges. In diesem Zusammenhang gibt es viele Fehlinterpretationen, insbesondere wenn Menschen meinen, sie müßten außer das Hören von Weissagung nichts dazu tun, um Änderung ihrer jeweiligen Situation zu bewirken.
Bei den Tolteken haben Omen eine tragende Bedeutung in der Beurteilung von Begegnungen, seien es nun Begegnungen mit Dingen, Pflanzen, Tieren, Menschen oder Kräften. Auch Krieger irren sich, weil sie entweder zu wenig Wissen oder zu wenig persönliche Kraft besitzen, um die Zeichen zu erkennen. Mit fortschreitendem Lernen, werden solche Fehltritte aber immer seltener, da der Krieger aufgrund seines direkten Arbeitens an der Verbindung zur Schicksalsmacht, der Absicht und andere Praktiken immer mehr über diese Macht weiß und nutzen kann. Nicht nur das er Schritte sieht, die anderen noch verborgen sind, sondern er steuert irgendwann bewußt sein Schicksal und damit auch die Dinge die ihm wiederfahren, seine ganze Existenz.

Sehen
Sehen bezeichnet eine besondere Wahrnehmungsfunktion, die nichts mit dem normalen Schauen unserer Augen zu tun hat. Es ist ein inneres, intuitives erfassen des Wesens aller Dinge und Situationen dieser Welt. Es gibt verschiedene Pirschtechniken die das Sehen trainieren. Zum Beispiel die Techniken des Nicht-Tuns und das Anhalten des inneren Dialogs.

Demut
Die Demut eines Kriegers ist nicht die Demut eines Durchschnittsmenschen. Ein Krieger beugt den Kopf vor niemanden, erwartet aber auch nicht, daß andere den Kopf vor ihm beugen. Trotzdem ist er demütig gegenüber Menschen, Tieren, Pflanzen und Kräften, weil er sich und seine Handlungen nicht wichtig nimmt. Er betrachtet nichts als geringer- oder höherstehender und ist sich darüber bewußt, daß jede Form von Existenz seine eigenen Möglichkeiten besitzt.

Die Überwindung des Eigendünkels (Selbstsucht)
Die eigene Wichtigkeit zu verlieren, (den Eigendünkel, die Selbstsucht) ist eine der grundlegenden Praktiken des Kriegers. Und das heißt nicht sich zwanghaft damit zu beschäftigen, diese zu verlieren, sondern er sieht es als lebenslange Aufgabe sich und seine Taten immer wieder selbst in Frage zu stellen (sich selbst anzupirschen). Die Bekämpfung des Eigendünkels ist für einen Krieger eine der größten Herausforderungen und ist für sein Wachstum unabdingbar.
Es ist für einen Krieger ein unmögliches Ding, die eigene Wichtigkeit zu verlieren, um sich dann hernach anderen Überlegen zu fühlen.

Selbstbewußtsein
Selbstbewußtsein zu besitzen, beziehungsweise sich zu erarbeiten heißt, daß der Glanz der Bewußtheit
aufgrund der makellosen Handlungsweisen eines Kriegers, weiter anwächst.
Selbstbewußtsein zu besitzen bedeutet also nicht von anderen Bestätigung zu erheischen und sich dadurch gut und wichtig zu fühlen.

Anhalten des inneren Dialogs (Anhalten der Welt)
Das Anhalten der Welt ist ein Bewußtseinszustand der auch als Meditation bezeichnet wird. Im normalen Kontext wird er mit einem Rückverbinden mit der Ursprungsmacht, Gott, dem Allmächtigen interpretiert.
Bei den Tolteken wird aber vom Anhalten des ersten und das Rückverbinden mit den zweitem Ring der Kraft gesprochen Dadurch wird es dem Krieger möglich, die Funktionen des zweiten Ringes der Kraft, dem Nagual zu nutzen.
Er kann sich dadurch nicht nur eine andere Wahrnehmung zugänglich machen, sondern diese zusätzlichen Möglichkeiten für andere Zwecke nutzen(z.B. Krankheiten heilen, Zusammenhänge erkennen, Kraft schöpfen).Die Techniken zum Anhalten des inneren Dialogs sind vielfältig.

Nicht- tun des Selbst
Das Nicht- Tun umfasst mehrere Techniken der Pirscher, die sich ständig erweitern.
Eine unvollständige Aufzählung beinhaltet zum Beispiel:
Das Nicht-tun der Gewohnheiten, das Nicht-tun der persönlichen Geschichte, das Nicht-tun der eigenen Wichtigkeit, das Nicht-tun der Zweifel und der Reue, das Nicht-tun der Sorgen, das Nicht-tun des Glaubens und der Erwartungen, das Nicht-tun des Sprechens.

Die Rekapitulation des Lebens
Das Ziel der Tolteken ist sich zu vervollständigen und mit der Ganzheit ihres Selbst in ihrer vollen Bewußtheit zu der ursprünglichen Kraft zurückzukehren aus der sie ursprünglich stammen. Dafür müssen sie alle Erlebnisse ihres Lebens noch einmal in voller Aufmerksamkeit und Härte durchleben, um so eine Kopie ihres Bewusstseins anzufertigen, daß sie dann der schöpfenden Macht zur Verfügung stellen. Anders gesagt, werden die durch das Leben geschaffenen und noch vorhandenen Ecken und Kanten durch die Rekapitulation vollends beschliffen, um glatt durch den Tunnel des Lichts gehen zu können, ohne an irgendeiner Stelle festzuhaken und vielleicht in einer neuen vielleicht nicht so erfreulichen Existenz, neu Geburt nehmen zu müssen.